Die monolithischen Felsenkirchen von Lalibela

Lalibela ist weltberühmt für seine monolithischen Felsenkirchen. Auf zwei Gruppen verteilt bilden sie zusammen mit zahlreichen Verbindungsgräben fast schon unterirdische Städte. Verglichen mit anderen Kirchen, die wir in Äthiopien und in vielen Ländern dieser Erde gesehen hatten, fällt es nicht schwer zu sagen, dass sie, ohne Übertreibung, weltweit einzigartig sind.

Die Felsenkirche Bet Giyorgis, nicht die größte, aber durch ihren kreuzförmigen Grundriss die berühmteste Kirche in Lalibela
Die Felsenkirche Bet Giyorgis, nicht die größte, aber durch ihren kreuzförmigen Grundriss die berühmteste Kirche in Lalibela

Fahrt nach Lalibela

Die Fahrt nach Lalibela war unser letzter langer Transfertag in Äthiopien. Maru hatte erfahren, dass die Fernverkehrsstraße wegen Bauarbeiten gesperrt sei. Das hatte zwei Folgen: Das Benzin wurde an den Tankstellen knapp, was für uns zum Glück kein Problem war, und wir mussten die Panoramaroute nach Lalibela nehmen. Die Straßen über Land waren teils asphaltiert, teils auch nicht, die Aussicht war aber immer sehr sehenswert.

Terrassierte Felder im äthiopischen Hochland auf der Fahrt nach Lalibela
Terrassierte Felder im äthiopischen Hochland auf der Fahrt nach Lalibela

Nach den Tagen in der lebensfeindlichen Danakil-Wüste fuhren wir wieder durch das fruchtbare Hochland. Es war ein gutes Jahr für die Bauern: Manche Felder waren schon abgeerntet, auf anderen bogen sich die Halme unter dem Gewicht der Ähren oder die Ernte war im vollen Gange. Die Arbeiten wurde ganz ohne den Einsatz von Maschinen durchgeführt. Die Landwirte schnitten das Korn mit der Sichel und zum Dreschen trieben sie ihre Tiere, meist Ochsen, wieder und wieder über das Getreide. Das Stroh schichteten sie anschließend zu Haufen aus, die wie Hütten aussahen.

Die Ochsen dreschen das Korn mit ihren Hufen.
Die Ochsen dreschen das Korn mit ihren Hufen.

Für uns mutete der Anblick wie ein Fenster in die Vergangenheit an, für die Bauern aber war es harte, wenn auch ertragreiche Arbeit. Hungersnöte schienen für uns nach den Eindrücken in dieser Region Äthiopiens unvorstellbar, dennoch hatte sich 1984/1985 fürchterliches Elend ereignet. Verstärkt wurden die Folgen der Dürre damals durch Krieg, schlechte Infrastruktur und andere politische Prioritäten der Mächtigen des Landes, so dass die Verteilung von Nahrungsmitteln im Land extrem erschwert war. Wir freuten uns jedenfalls für die Menschen wegen der reichen Ernte, bemitleideten gleichzeitig aber auch die Esel, die Berge von Getreide tragen mussten.

Der arme Esel trägt scheinbar die gesamte Ernte eines Bauern auf seinem Rücken.
Der arme Esel trägt scheinbar die gesamte Ernte eines Bauern auf seinem Rücken.

Die Felsenkirchen von Lalibela

Anders als in Gheralta liegen die monolithischen Felsenkirchen von Lalibela nicht abgeschieden draußen in der Natur, sondern konzentrieren sich auf zwei nahe beieinanderliegende Areale. Insgesamt handelt es sich um 11 Kirchen. Nicht alle der monolithischen Bauwerke scheinen ursprünglich als Stätte des Gebetes konzipiert worden zu sein. Zwei gut befestigte Gebäude könnten König Lalibela als Palast gedient haben und wurden erst später zu Kirchen umgewidmet.

Aufgrund ihrer Bauweise befindet sich die Grundfläche der Gotteshäuser genau genommen unterirdisch. Um die Kirchen aus dem Stein zu meißeln, haben die Erbauer ein tiefes Loch senkrecht nach unten in den Felsboden getrieben. In der Mitte blieb das sakrale Gebäude stehen, dessen Dach sich damit knapp unter dem Niveau des früher vorhandenen Steingrundes befindet.

Die Kirche Bet Giyorgis in der für sie geschaffenen Aussparung. Wie viel Material entfernt wurde, sieht man noch besser in diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=NqnuO4n0Yao
Die Kirche Bet Giyorgis in der für sie geschaffenen Aussparung. Wie viel Material entfernt wurde, sieht man noch besser in diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=NqnuO4n0Yao

Auch wenn der Tuffstein geologisch gesehen vergleichsweise weich sein soll, mussten die Baumeister riesige Mengen tonnenschweren Gesteins abtransportieren lassen (bis zu 800 m² pro Kirche, etwa zehn Meter in die Tiefe). Rund um die Gotteshäuser wurde Platz geschaffen und die Gebäude wurden aus dem Felsen geformt. Zudem sind die Kirchen untereinander durch Gänge miteinander verbunden, die nur selten zu Tunneln werden. Diese zu begehen erschien trotzdem etwas abenteuerlich. Die Gräben dienen gleichzeitig als Zeremonienwege und zur Entwässerung.

Schmale Gänge im Fels verbinden die Kirchen miteinander.
Schmale Gänge im Fels verbinden die Kirchen miteinander.

Bauherr König Lalibela

Zu dem Zeitpunkt oder Zeitraum der Entstehung der Felsenkirchen gibt es von archäologischer Seite verschiedene Theorien. Wie in Äthiopien üblich, werden auch mehrere Legenden zur ihrer Erschaffung erzählt. Laut der ambitioniertesten habe König Lalibela alle Kirchen in nur einer Nacht selbst aus dem Stein geschlagen, um ein neues Jerusalem zu schaffen. Engel unterstützten ihn bei seinem Werk. Andere Überlieferungen berichten, dass es sich um ein Großprojekt um das Jahr 1250 gehandelt habe, welches sich über 23 Jahren hinzog, und dass sogar Baumeister aus Europa und Asien vor Ort waren. Welche Ausmaße das Areal hat, kann man sich gut online auf den Seiten des Zamani-Projekts vor Augen führen.

Rund um die Kirche Bet Maryam wurde der Fels weiträumig abgetragen. Das Dach schützt vor Verwitterung durch Niederschlag.
Rund um die Kirche Bet Maryam wurde der Fels weiträumig abgetragen. Das Dach schützt vor Verwitterung durch Niederschlag.

In ihren Ausmaßen sind die Felsenkirchen natürlich nicht mit dem Kölner Dom vergleichbar, aber trotzdem zählen sie weltweit zu den größten ihrer Art. In der Tat wirkten sie sehr beeindruckend. Wenn zwischen Gebäude und Felswand nur wenig Platz war, erschienen sie größer, als sie eigentlich sind. Befanden sich zwei Kirchen in derselben Ausschachtung, konnte man sich kaum ausmalen, wieviel massiver Fels abgetragen worden war. Es fiel auf, wie dick und massiv die Mauern der Kirchen sein mussten, um die monolithischen Strukturen zu tragen.

Die massiven Säulen in der Kirche Bet Maryam stehen relativ eng beieinander und sind kunstvoll verziert.
Die massiven Säulen in der Kirche Bet Maryam stehen relativ eng beieinander und sind kunstvoll verziert.

Die Innenräume der Felsenkirchen

Die Innenräume der meisten Kirchen wirkten durch viele stützende Säulen und schummrige Beleuchtung eher eng. Außerdem sind einige Bereiche, wie z.B. das Allerheiligste, abgetrennt und nur für die Priesterschaft zugänglich. Die größten sakralen Bauten, wie die Bet Medhane Alem, die angeblich größte monolithische Felsenkirche der Welt, bieten trotzdem sehr viel Platz. In ihrem Schiff standen nur wenige Bänke und die Böden waren flächendeckend mit Teppichen ausgelegt.

Auch die Kirche Bet Medhane Alem besteht nur aus einem einzigen Felsen.
Auch die Kirche Bet Medhane Alem besteht nur aus einem einzigen Felsen.

Die Innenwände der Felsenkirchen von Lalibela waren nicht überall ausgemalt. Statt der Darstellung von Heiligen schmückten nur in einigen Kirchen geometrische Verzierungen die Decken. In jedem Gotteshaus standen oder hingen aber übermannsgroße Gemälde an den Wänden. Diese Kunstwerke waren in typisch äthiopischen Stil in leuchtenden Farben gemalt. Außerdem fungierten bunt gemusterte Vorhänge als Raumteiler, Sichtschutz oder zur Dekoration.

Im Inneren der Kirche Bet Maryam
Im Inneren der Kirche Bet Maryam

Unterwegs mit Schuhaufpasser

Wie es in äthiopischen Kirchen Sitte ist, mussten wir unsere Schuhe jeweils vor dem Betreten der sakralen Stätten ausziehen. Neben einem Führer begleiteten in Lalibela auch Schuhaufpasser die Gruppen von Besuchern. Diese sorgen dafür, dass die Fußbekleidung nicht abhanden kam. Außerdem transferieren sie die Schuhe auch gelegentlich zu einem anderen Ort, wenn man, um den Fluss der Besucher nicht zu stören, unterschiedliche Aus- und Eingänge benutzte. Bezahlt wurden sie, natürlich, durch ein Trinkgeld.

Vor dem Betreten einer Kirche werden in Äthiopien die Schuhe abgelegt.
Vor dem Betreten einer Kirche werden in Äthiopien die Schuhe abgelegt.

Äthiopien ist ein sehr religiöses Land und die Felsenkirchen von Lalibela dienen auch in der Gegenwart als aktive Anbetungsstätten. Außerdem stellt Lalibela, Neu-Jerusalem, ein spirituelles Zentrum und einen wichtigen Pilgerort der äthiopisch-orthodoxen Christen dar. Tagsüber dominierte allerdings der Tourismus in und um die monolithischen Strukturen. Lalibela ist einer der (wenn nicht der) touristischste(n) Ort(e) in ganz Äthiopien. Zahlreiche geführte Gruppen waren, zusammen mit ihrem Schuhaufpasser, auf dem Gelände unterwegs.

Auf den Straßen von Lalibela

Lalibela ist eine kleine Stadt mit nur etwa 20.000 Einwohnern. Die Siedlung mit ihren mehrheitlich traditionellen Rundhäusern aus Lehm liegt spektakulär an einem Felsabbruch auf 2630m Höhe mit phantastischem Blick über die schroffe Gebirgslandschaft. Trotz der geringe Größe von Lalibela herrschte auf den Straßen immer reger Verkehr und, noch mehr als an anderen Orten im Land, konnten wir uns als Ausländer nicht der Aufmerksamkeit der Äthiopier entziehen. Wir wurden ständig angesprochen, immer nach einem von wenigen Mustern und fast ausschließlich von Jugendlichen.

Man hätte den Eindruck bekommen können, alle hätten sie die Hausaufgabe bekommen, mit den Touristen zu reden: „Hello, how are you? What’s your name? Where do you come from?“ Was am Anfang noch ganz amüsant war, wandelte sich schnell ins Unangenehme, da jedes Gespräch schnell in ein etwas eloquenteres Betteln umschlug. Die einleitenden Fragen sollten wohl dazu dienen, eine persönliche Verbindung aufzubauen. Besonders kurios wirkte es auf uns, als wir am zweiten Tag ins Hotel zurückgingen und dabei von einer Gruppe Mädchen im Teenager-Alter umringt und von allen Seiten ausgefragt wurden.

Dabei waren einige der jungen Leute echte Profis, sie merkten sich unsere Gesichter und sprachen uns mehrmals an. Da Ausbildung anscheinend bei den Touristen einen großen Stellenwert hat, erzählten viele, dass sie Studenten seien und Geld bräuchten, um Bücher zu kaufen. Andere versuchten zunächst E-Mail Adressen für Brieffreundschaften zu ergattern, aber schließlich driftete das Gespräch dann doch immer in Richtung Geld ab. Die vielen Aspiranten ließen darauf schließen, dass die Bemühungen anscheinend immer mal wieder von Erfolg gekrönt sein müssen und es sich letztendlich lohnte.

Die Yemrehana Krestos Kirche

In den vergangenen Tagen (und Wochen) hatten wir viele Kirchen in ganz Äthiopien gesehen und doch sollte es ein Gotteshaus geben, das sich von allen anderen unterschied. Die Yemrehana Krestos Kirche in aksumitischem Stil aus dem 11./12. Jahrhundert war in einer natürlichen Höhle errichtet worden. Benannt ist die Kirche nach ihrem Erbauer, König Yemrehana Krestos, einem Vorfahren von König Lalibela. Gut 40 Kilometer von der Stadt Lalibela entfernt war die Besucheranzahl wieder auf ein deutlich angenehmeres Maß gesunken.

Die Yemrehana Krestos Kirche befindet sich in einer gewaltigen natürlichen Höhle.
Die Yemrehana Krestos Kirche befindet sich in einer gewaltigen natürlichen Höhle.

Früher soll der Gang bergauf zur sakralen Stätte eine anstrengende Wanderung über loses Geröll gewesen sein. Als wir das Gotteshaus besuchten, war der Weg jedoch sehr gut befestigt mit asphaltierten Wegen und Stufen. So genossen wir den entspannten Spaziergang, der 20 Minuten zu Fuß pro Richtung in Anspruch nahm. Die Landschaft war ungewöhnlich grün. Rund um die Höhle, in der sich die Kirche befindet, wächst ein kleiner Wald, der nicht abgeholzt werden darf. Der Eingang zur Grotte ist durch eine Mauer abtrennt und das Gebäude steht vollständig unter dem Felsüberhang. Es hat ein ungewöhnliches Erscheinungsbild, die weiß-braun gestreifte Konstruktion besteht aus abwechselnden Schichten von mit Gips verputztem Granit und Holzbalken.

Die Yemrehana Krestos Kirche
Die Yemrehana Krestos Kirche

Ein außergewöhnliches Gotteshaus

Auch im Innenraum konnte man den geschichteten Aufbau sehen. Die Decken waren mit geometrischen Mustern verziert und an einigen Wänden befanden sich verblichene äthiopisch-orthodoxe Motive. Insgesamt unterschied sich die Kirche stilistisch deutlich von allen anderen, die wir bisher auf unserer Reise gesehen hatten (nicht nur in Äthiopien).

Im Inneren der Yemrehana Krestos Kirche
Im Inneren der Yemrehana Krestos Kirche

Die natürliche Höhle, in der sich die Anbetungsstätte befindet, hat gewaltige Ausmaße. Neben einem weiteren Gebäude und Sitzgelegenheiten liegt in ihrer Tiefe auch ein ungewöhnlicher Friedhof. Die Knochen von über 10.000 Pilgern, die ihre Wallfahrt angeblich aus fernen Ländern wie Ägypten, Syrien und dem heutigen Israel zur Yemrehana Krestos Kirche unternommen hatten, sind dort aufgeschichtet. Sie hatten diesen Ort aufgesucht, um dort zu sterben.

Hinter den Bänken befinden sich die aufgestapelten Knochen der Pilger aus grauer Vorzeit.
Hinter den Bänken befinden sich die aufgestapelten Knochen der Pilger aus grauer Vorzeit.

Abschied von Maru

Es war absehbar, dass unsere Äthiopien-Reise bald enden würde, aber trotzdem kam für uns der Abschied von Maru sehr überraschend. Wir hatten erwartet, dass er uns am kommenden Tag noch zum Flughafen bringen würde. Wir wollten mit dem Flugzeug zurück nach Addis Abeba fliegen. Er musste jedoch schon am vorherigen Abend mit dem Auto aufbrechen, um pünktlich zu Beginn seiner nächsten Tour wieder in Addis zu sein.

Maru mit unseren Geländewagen
Maru mit unseren Geländewagen

Wir haben drei interessante Wochen miteinander verbracht. Obwohl Maru offiziell „nur“ unser Fahrer war, hat er uns viel von seinem Land, und am Ende auch von sich, erzählt. Spätestens die Tour zum Erta Ale hatte uns zusammengeschweißt und an dieser Stelle möchten wir uns herzlich bedanken! Maru, Du hast uns immer sicher durch Äthiopien gefahren und uns anregende Begegnungen mit Deinen Landsleuten ermöglicht. Wir erinnern uns z.B. gerne an unseren kurzen Zwischenstopp zum Backen von Injera, die Teff-Ernte oder den Spaziergang über den Markt in Bahir Dar zurück. Āmeseginalehu! አመሰግናለሁ! Vielen Dank!

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