Erta Ale, Rauchender Berg und Tor zur Hölle

Der Erta Ale ist ein aktiver Vulkan, ein sehr aktiver Vulkan, einer der wenigen Vulkane weltweit, in dem es einen permanent offenen Lavasee gibt. Nach reiflicher Überlegung wollten wir das Abenteuer wagen, den Erta Ale zu besteigen und in das „Tor zur Hölle“ zu blicken, wie er von den Einheimischen genannt wird.

In der Caldera des Erta Ale: Der Dampf wird vom Lavasee angeleuchtet.
In der Caldera des Erta Ale: Der Dampf wird vom Lavasee angeleuchtet.

Sicherheitsbedenken

Als wir den Abschnitt über den Erta Ale im Reiseführer genauer lasen, kamen uns Zweifel, ob es wirklich eine gute Idee wäre, dort hinzufahren. In der Vergangenheit war es gelegentlich zu (tödlichen) Zwischenfällen gekommen, nicht wegen der Aktivität des Vulkans, sondern durch Überfälle mit Schusswaffengebrauch. Der letzte Vorfall hatte sich im Dezember 2017 ereignet. Zu dem Zeitpunkt als wir unsere Route in Äthiopien planten (im August 2018), war also noch nicht einmal ein Jahr seither vergangen. Eine entsprechende Sicherheitswarnung (aber keine Reisewarnung) stand (und steht (Stand März 2020)) auch auf den Seiten des Auswärtigen Amtes.

Vulkanische Landschaft in der Danalik-Wüste auf dem Weg zur Erta Ale.
Vulkanische Landschaft in der Danalik-Wüste auf dem Weg zur Erta Ale.

Nach eingehender Überlegung und einem Mailwechsel mit unserer Reiseagentur entschieden wir uns dennoch, den Erta Ale zu besuchen. Bei dem Vorfall 2017 war wohl viel Unvernunft im Spiel gewesen und wir würden durch (vorgeschriebene) Sicherheitskräfte begleitet werden. Allein die Tatsache, dass unser deutscher Reiseveranstalter diesen Programmpunkt ruhigen Gewissens empfahl, war für uns in Zeiten einer allgemeinen Übervorsichtigkeit ein besänftigendes Signal. Außerdem hatten sich die Spannungen im Grenzgebiet zu Eritrea zwischenzeitlich gelegt.

Um es vorwegzunehmen: Wir erlebten keine Sicherheitsprobleme (im Sinne von bewaffneten Überfällen etc.) am Erta Ale. Einige andere Besuchergruppen befanden sich gleichzeitig mit uns auf dem Berg, so dass wir uns auch durch die Herde geschützt fühlten. Nicht zuletzt habt Ihr keine Berichte über uns in der Presse gelesen. 😉 – Seit Dezember 2017 gab es keine weiteren Zwischenfälle am Erta Ale, was aber nicht bedeutet, dass unser Ausflug zum „Tor zur Hölle“  ein reiner Sonntagsspaziergang war.

Stationen auf dem Weg zum Erta Ale

Der Fahrtag fing gut an. Die ersten 150km legten wir zügig auf erstaunlich guten Straßen zurück. Wir gelangten wieder in die Danakil-Wüste hinab, das Thermometer stieg (diesmal allerdings nicht über 40°C) und die Landschaft wandelte sich zu einer vulkanischen Ebene. Links und rechts des Asphaltbandes zogen Lavafelder vorbei, auf denen sich nur wenige verdorrte Grasbüschel halten konnten.

Die Mittagspause verbrachten wir im rudimentären Lager eines Straßenbauprojekts. Der Bauherr war ein chinesisches Unternehmen, die Bauarbeiter Äthiopier. Die Verhältnisse waren katastrophal, es gab keine (für uns zugänglichen) sanitären Einrichtungen. Die Männer, die am Sonntag offensichtlich frei hatten, saßen oder lagen im Schatten vor den aufgeheizten Wellblechbaracken auf dem steinigen Boden. Sie vergnügten sich damit, bunte Limonaden zu trinken und Chips zu kauen. Plastikabfall flog überall herum und der Wind spielte Müllabfuhr, indem er die leeren Tüten und Flaschen im Lavafeld verteilte.

Desolate Zustände im Lager der Straßenbauarbeiter
Desolate Zustände im Lager der Straßenbauarbeiter

Von dort aus fuhren wir über eine staubige Sandpiste zum Dorf Kusrawad, weil Maru mit den einheimischen Afar Details für unsere Expedition zum Erta Ale absprechen musste. Auch die Siedlung machte auf uns einen trostlosen Eindruck. Die Stabilität der Hütten aus Wellblech und Holzstangen erschien uns nicht sehr vertrauenerweckend. Das Umfeld mit Müll und diversen Tonnen, die in der Gegend herumlagen, weckte auch nicht gerade Inspirationen. Nur wenige Menschen bewegten sich draußen in der Hitze, lediglich ein paar Ziegen waren unterwegs. Maru empfahl uns, im Auto zu bleiben, es würde nicht lange dauern. Wir stiegen trotzdem aus, um uns in den Schatten einer der Buden zu stellen.

Kusrawad machte auf uns einen deprimierenden Eindruck.
Kusrawad machte auf uns einen deprimierenden Eindruck.

Ein paar Kinder und Jugendliche beäugten uns kritisch, kamen aber nicht näher. Es herrschte eine gespannte Atmosphäre. Anderswo auf der Welt hätte unsere Ankunft ein großes Hallo ausgelöst. Die Afar hingegen verhielten sich zurückhaltend und misstrauisch. Vermutlich konnten wir froh sein, dass wir nicht wie früher üblich empfangen worden waren. Noch bis in die 1930er Jahre, so der Reiseführer, wurden männliche Ankömmlinge getötet und deren Hoden als Trophäen betrachtet. Im Vergleich dazu war unser Empfang also geradezu herzlich.

Bis auf ein paar Ziegen hielt sich fast niemand im Freien auf.
Bis auf ein paar Ziegen hielt sich fast niemand im Freien auf.

Nur Bares ist Wahres

Insgesamt dauerten die Verhandlungen dann länger als vorgesehen. „Organisieren“ hieß für Maru im Wesentlichen anscheinend „Bezahlen“. Nach einigen Diskussionen, die nicht den Eindruck eines Treffens alter Freunde machten, zählte unser Fahrer und Gefährte die Scheine ab und dicke Bündel wechselten den Besitzer. Zurück im Auto war der sonst so ausgeglichene Maru sichtlich empört ob der Situation. Die Afar würden jedes Mal mehr und mehr Geld verlangen und auch Leistungen berechnen, die nicht von ihnen erbracht wurden. So musste er zum Beispiel für das Mittagessen bezahlen, dass wir vorher im Straßenbaulager eingenommen hatten. Maru erklärte uns, dass er schlechte Erfahrungen mit den Mahlzeiten im Dorf gemacht hätte und die Mittagspause daher vorverlegt hatte, aber blechen musste er trotzdem…

500 Birr bringen einen nicht weit auf dem Weg zum Erta Ale.
500 Birr bringen einen nicht weit auf dem Weg zum Erta Ale.

Wir waren froh, dass wir nicht selbst die Verhandlungen mit den Afar hatten führen müssen. Es wäre sonst wohl ein bodenloses Unterfangen gewesen, denn die Liste der Posten, für die der Reiseveranstalter bezahlen musste, war auch so schon lang genug: Die Dorfältesten kassierten ebenso ihren Anteil wie zwei Polizisten und zwei Militärs (beide zu unserer Bewachung). Ein Road Guide, ein Koch, ein Kochassistent, eine Hütte zum Kochen, Wasser zum Kochen, Matratzen, Lastkamele fürs Gepäck, Unterkunft am Erta Ale etc. fanden ebenfalls Eingang in die lange Rechnung. Wahrscheinlich würden neue Punkte auftauchen, die auch beglichen werden müssten. Die Beträge waren zudem nicht nur für äthiopische Verhältnisse beachtlich. Die Afar nutzen ihre Monopolstellung in Bezug auf die Touren zum Erta Ale schamlos aus.

In Kusrawad halfen die EU und Coopi den Afar.
In Kusrawad halfen die EU und Coopi den Afar.

Ob der üppigen Einnahmequelle wunderten wir uns allerdings ein wenig, dass auch ein Schild im Dorf stand, welches auf ein Hilfsprojekt von EU und Coopi hinwies.

Die letzten Kilometer

Vom Dorf aus nahmen wir direkten Kurs auf den Erta Ale. Die Piste war keine eindeutig definierte Fahrbahn, vielmehr handelte es sich um ein verästeltes System aus querfeldein gefahrenen Spuren im sandigen Grund. Wichtig für die Navigation waren dabei nur zwei Parameter: das Ziel am Horizont und der Zustand der Piste auf den sichtbaren Metern voraus. So kreuzten wir über den weichen Wüstenboden, gefolgt von einer gewaltigen Staubwolke.

Querfeldein über die Sandpiste
Querfeldein über die Sandpiste

Die letzten 12 Kilometer verliefen über die vielleicht forderndste Piste unserer ganzen Weltreise. Sie führte mitten durch ein Lavafeld und sah auf den ersten Blick eigentlich ganz ordentlich aus. Trotzdem lag die Maximalgeschwindigkeit bei 20km/h. Die spitzen Felsen und tiefen Schlaglöcher bewirkten, dass die 12 Kilometer förmlich ein kontinuierliches Ausweichmanöver waren. Erstaunt waren wir, dass die Reifen den harten Kanten des Steins standhielten. Die Karosserie ächzte in den Einsenkungen und Erhebungen und der Wagen setzte einige Male auf. Die braun-schwarze Landschaft um uns herum unter der glühenden Sonne hätte auch in Mordor liegen können. Der Erta Ale, den wir schon rauchend in der Ferne sahen, wirkte bedrohlich wie Mount Doom. Dennoch war unsere Reise trotz allem deutlich bequemer und weniger schicksalhaft als die der Hobbits. Wir planten auch nicht, einen Ring in den Schlot des Vulkans zu werfen ;).

Die vielleicht holperigste Piste unserer Weltreise auf den letzten 12km zum Erta Ale
Die vielleicht holperigste Piste unserer Weltreise auf den letzten 12km zum Erta Ale

Am Ende der Piste erreichten wir einen Parkplatz, auf dem schon einige andere Geländewagen zwischen runden, aus Lavagestein errichteten und mit Zweigen gedeckten Hütten standen. Vor einem frühen Abendessen kontrollierten wir unsere Ausrüstung für den Aufstieg und die bevorstehende Nacht auf dem Vulkan, v.a. die Taschenlampen. Maru kümmerte sich darum, dass unser Gepäck, unsere Matratzen und das Wasser auf die Kamele verladen wurden. Die Sonne ging unter und es kühlte sich allmählich ab. Gegen 18:30 Uhr, schon in völliger Dunkelheit, brachen wir auf.

Verglichen mit den Salztransportkamelen eher leicht beladen, trotzdem sieht das Tier nicht glücklich aus…
Verglichen mit den Salztransportkamelen eher leicht beladen, trotzdem sieht das Tier nicht glücklich aus…

Aufstieg im Schein der Stirnlampe

Der erste Teil des Weges führte durch eine sandige Wüste mit hohem Gras. Wir hatten Schwierigkeiten, mit unseren beiden Afar-Führern mitzuhalten, da das Laufen auf dem weichen Boden etwas anstrengend war. Nebenbei fragten wir uns, wo eigentlich all die Begleiter blieben, für die Maru hatte bezahlen müssen. Unsere Guides waren nicht bewaffnet, aber eigentlich hatten wir auch für zwei Milizen und zwei Polizisten bezahlt… Vermutlich saßen sie strategisch günstig postiert im Lavafeld, allzeit bereit, uns zu retten, falls irgendwelche Bösewichte auftauchen sollten ;). Oder sie haben sich gedacht, es wäre zu unbequem und jetzt herrschte ja sowieso Frieden mit Eritrea, wir würden also auch alleine zurechtkommen. Umgerechnet auf die verschiedenen Gruppen, die unterwegs waren, hätte sich eine ganze Hundertschaft bewaffneter Afar mit uns auf dem Weg zu Gipfel befinden müssen…

Aufstieg zum Erta Ale in völliger Dunkelheit
Aufstieg zum Erta Ale in völliger Dunkelheit

Nach etwa 20 Minuten wurde der Weg felsig, dadurch griffiger, aber im Schein der Stirnlampe nicht übersichtlicher. Er führte über unebene Stufen und über Felsen im Lavafeld, Vorsicht war geboten. Unsere Afar-Führer stürmten trotzdem weiter voran, sie kannten den Weg. Anfänglich warteten sie in größeren Zeitabständen, saßen dann auf einem Felsen, kauten Kath, tranken etwas aus einer Plastikflasche und unterhielten sich miteinander. Mit uns wechselten sie kein Wort. Später trafen wir nur noch auf einen von beiden.

Glücklicherweise begleitete Maru uns in der Dunkelheit. Der Pfad war einfach zu erkennen und es gab sogar einige Markierungen. Für mehr Licht schaltete ich zusätzlich die Taschenlampe des Smartphones ein, was die Sicht deutlich verbesserte. Bei einer Trinkpause (es war immer noch recht warm), steckte ich es mir hinter den Gürtel. Das funktionierte auch beim Laufen recht gut, so hatte ich immer genug Licht direkt vor mir und, dank der Stirnlampe, auch in Blickrichtung.

Nachgestellte Handyhalterung zum Ausleuchten des Weges
Nachgestellte Handyhalterung zum Ausleuchten des Weges

Nach knapp 10 km kontinuierlichen Anstiegs (430 Höhenmeter) erreichten wir gegen 21 Uhr das Camp direkt am Gipfel des Erta Ale. Auch hier gab es die gleichen runden und sehr einfachen Steinhütten, von denen wir eine bezogen, d.h. etwas Ballast ablegten. Selbst in der Dunkelheit sahen wir, dass zwischen den Häuschen Müll herumlag. Sanitäre Einrichtungen waren nicht vorhanden.

Giftige Gase auf dem Erta Ale

Ohne viel Zeit zu verlieren, machten wir uns auf den Weg zur Hauptattraktion. Unweit des Camps führte eine Art „Treppe“ aus losen, unebenen Gesteinsbrocken 20 bis 30 Meter hinab in die äußere Caldera, deren Boden mit erstarrtem Magma ausgefüllt war. Der aktive Lavasee befand sich in einem weiteren Sub-Krater.

Ein Satellitenbild von Google Maps: Vom Camp aus stiegen wir in den äußeren Krater, in dem der Lavasee liegt.
Ein Satellitenbild von Google Maps: Vom Camp aus stiegen wir in den äußeren Krater, in dem der Lavasee liegt.

Unser Weg führte uns über die Lavakruste, welche aus brüchigen Platten erkalteten Magmas mit schroffen Kanten und Hohlräumen (theoretisch bestand die Gefahr einzubrechen) bestand – alles andere als einfaches Gelände. Unser Afar-„Guide“ führte uns direkt auf den Krater zu, mitten in eine Rauchwolke hinein. Mehrfach mussten wir zwischen den Lavaplatten in Deckung gehen, da uns heißer, giftiger Dampf entgegenwaberte. Beim Einatmen schmerzte es in der Lunge, die Augen brannten und tränten. Wir duckten uns und warteten, bis die Wolke nicht mehr direkt über uns war, bevor wir weitergehen konnten. Nach mehreren Stopps hatten wir den Rauch stark hustend durchquert, der aufsteigende Qualm versperrte uns allerdings die Sicht in den Vulkan und auf den Lavasee.

Nichts als roter, giftiger Rauch
Nichts als roter, giftiger Rauch

Aufgrund der schlechten Sicht wollte uns unser „Führer“ auf die andere Seite der Caldera bringen. Bis heute haben wir nicht verstanden, warum er uns erneut mitten durch die giftige Wolke leitete, die vom Wind nach Nordosten getragen wurde. Wären wir andersherum gegangen, hätten wir die (noch intensiveren) reizenden Schwaden einfach umgehen können… Kräftig hustend hatten wir unser Vertrauen in ihn nun endgültig verloren, weshalb wir, aus unserer Sicht durchaus nachvollziehbar, vom geführten Weg abwichen. Wir zogen uns zurück, um aus dem Qualm hinaus zu gelangen und dann einen deutlich weiteren Bogen zu schlagen.

Roter Rauch statt Lavasee

Auf der anderen Seite angekommen blickten wir mit dem Wind im Rücken auf den aufsteigenden, rötlich angeleuchteten Rauch, der manchmal mehr, manchmal weniger stark aus dem Krater waberte. Fasziniert und gespannt beobachteten wir den Qualm, ob er eventuell doch noch den Blick in die Tiefe freigeben würde. Die wechselnde Färbung der Dampfes verriet, dass der Lavasee unten aktiv sein musste.

Manchmal zog sich die Wolke etwas zurück, gab allerdings den Blick auf die brodelnde Lava nicht frei.
Manchmal zog sich die Wolke etwas zurück, gab allerdings den Blick auf die brodelnde Lava nicht frei.

Der Mond war aufgegangen und erleuchtete die unwirkliche schwarze Landschaft um uns herum, doch die Rauchwolke war unnachgiebig und verhüllte den Lavasee hartnäckig. Nach gut einer Stunde am Kraterrand traten wir den Rückzug zu unserem Nachtlager an. Die Nacht sollte kurz genug werden: Um 4 Uhr früh wollten wir einen erneuten Versuch starten, einen Blick auf die kochende Lava zu wagen.

Mondschein über dem Erta Ale
Mondschein über dem Erta Ale

Die Rechnung der (kurzen) Nachtruhe hatten wir allerdings ohne eine italienische Reisegruppe gemacht, deren Mitglieder lautstark begannen, im Camp zu kochen und Wein auszuschenken. Dies beschnitt unsere ohnehin schon kurze Schlafdauer zusätzlich. Wo waren unsere Afar-Leibwächter, wenn wir sie einmal brauchten?

Erneuter Versuch am frühen Morgen

Trotz der lärmenden Italiener fanden wir nach einiger Zeit etwas Schlaf, standen wie geplant um 4 Uhr morgens auf (wobei wir uns keine Mühe gaben, uns leise zu verhalten) und stiegen erneut in den Krater hinab. Diesmal mieden wir die Rauchwolke. Wir beobachteten wieder den rötlichen Dampf, wie er aus der Tiefe aufstieg. Leider hatten wir auch diesmal kein Glück. Der Erta Ale rauchte unentwegt.

Auch am nächsten Morgen hatte sich der Rauch leider nicht verzogen.
Auch am nächsten Morgen hatte sich der Rauch leider nicht verzogen.

Je heller es wurde, desto mehr verblasste der Rotschimmer des vulkanischen Qualms. Dafür verfärbte sich der Himmel feurig im Morgenrot. Die Zeit war gekommen, den Rückweg anzutreten. Vor uns lag noch der Abstieg und eine lange Fahrt, außerdem würden die Temperaturen in Kürze wieder ansteigen und den Weg zum Parkplatz deutlich beschwerlicher machen. Leider tauchten in unserem Fall keine Riesenadler auf, um uns bequem vom Mount Doom wieder ins Tal zu bringen ;).

Sonnenaufgang am Kraterrand
Sonnenaufgang am Kraterrand

Abstieg vom Erta Ale

Auf dem Rückweg sahen wir, was die Dunkelheit beim Aufstieg gnädig verborgen hatte. Der Weg war eine einzige Müllkippe. Überall flog Plastik herum und war an manchen Stellen in Höhlungen im Lavagestein gesammelt worden. Auch leere Batterien (vermutlich von den Taschenlampen, die dort regelmäßig verwendet werden) lagen auf dem Pfad. Umso absurder war es, dass Maru auch eine Reinigungs- und Umweltgebühr (450 Birr, also 12,50 Euro) an die Afar hatte bezahlen müssen. „Leave no Trace“ sieht anders aus…

Eine der zahlreichen Müllhalden am Wegesrand. Ökotourismus sieht anders aus…
Eine der zahlreichen Müllhalden am Wegesrand. Ökotourismus sieht anders aus…

Der Erta Ale war ein hartes und anspruchsvolles Pflaster, so sehr, dass einer meiner Wanderschuhe auf dem Rückweg anfing, seine Sohle von sich zu strecken. Die äußere Schicht begann, sich abzulösen, wurde aber zum Glück nicht zur Stolperfalle.

Nach dem Abstieg vom Erta Ale in Äthiopien war die Sohle meines Wanderschuhs am Ende…
Nach dem Abstieg vom Erta Ale in Äthiopien war die Sohle meines Wanderschuhs am Ende…

Um 9:30 Uhr erreichten wir den Parkplatz. Die Temperatur lag schon bei 37 Grad Celsius. Nach einer kurzen Stärkung stiegen wir wieder ins Auto und holperten zurück über die Lavapiste. Auf dem folgenden Abschnitt in der Wüste zog ein Sandsturm auf. Um ihn zu umfahren, mussten wir einen deutlichen Umweg in Kauf nehmen. Lavasee hin oder her, der Ausflug zum Erta Ale war in der Tat ein Abenteuer gewesen.

Der Rauchende Berg

Im Nachhinein bedauerten wir es natürlich sehr, dass das „Tor zur Hölle“ von Qualm verhüllt gewesen war. Der Erta Ale, wörtlich übersetzt „der Rauchende Berg„, hatte seinem Namen alle Ehre gemacht. Trotz mehrfacher Erkundigungen bekamen wir keine befriedigende Antwort auf unsere Frage, wie denn generell die Chancen stünden, direkt in die kochende Lava zu blicken.

Erta Ale, der Rauchende Berg
Erta Ale, der Rauchende Berg

Im Vorfeld unserer Äthiopienreise wie auch jetzt bei der Recherche zu diesem Artikel waren/sind verlässliche Informationen über die Aktivität des Erta Ale dünn gesät. Es scheint so, als hätte sich der Lavasee nach einem Ausbruch im Januar 2017 abgesenkt. Trotzdem findet man vereinzelte Videos auf Youtube, auf denen man die brodelnde Lava sehen kann. In der Zwischenzeit hat sich die Situation wohl erneut gewandelt und die Aktivität des Lavasees verändert sich wieder. Ein spektakulärer Blick ist wohl auch weiterhin alles andere als garantiert. Aber, wer nicht wagt, der nicht gewinnt?

Epilog

Das Folgende hat nichts mit der Enttäuschung zu tun, dass wir den Lavasee nicht gesehen haben. Es soll keine Abrechnung sein, sondern eine im Rahmen der Möglichkeiten objektive Stellungnahme: Die Leistung unserer Afar-„Führer“ stand in keinerlei Verhältnis zu den Summen, die sie kassiert hatten. Schon beim Aufstieg nahmen sie kaum Notiz von uns, geschweige denn, dass sie sich in irgendeiner Weise um uns bemüht hätten. Einer von ihnen leitete uns direkt in den giftigen Qualm des Vulkans. Eine eigentliche Führung im Sinne von Erläuterungen oder dergleichen fand nicht statt, wir haben auch keinen der Afar ein Wort Englisch reden hören. Ein Glück, dass Maru bei uns war und alles organisiert hat, sonst wären wir aufgeschmissen gewesen. Er begleitete uns auch beim nächtlichen Aufstieg auf den Erta Ale. In solch einem Gelände muss man eher einen falschen Tritt befürchten als den Angriff von Bösewichten.

Am Parkplatz wurde der Müll einfach in die Landschaft geworfen. Den Rest erledigte der Wind.
Am Parkplatz wurde der Müll einfach in die Landschaft geworfen. Den Rest erledigte der Wind.

Letztendlich tauchten keine Bösewichte auf. Das lag aber vermutlich nicht am heldenhaften Schutz der Afar. Dennoch haben sie sich diese „Sicherheit“ fürstlich entlohnen lassen und dafür keine Gegenleistung erbracht, nicht einmal zum Schein. Wir sahen zwar am Gipfel einige wenige Afar, die Gewehre herumtrugen, die vier bewaffneten Männer jedoch, für die der Reiseveranstalter hatte bezahlen müssen und die uns persönlich hätten begleiten sollen, haben wir nicht getroffen. Eigentlich handelte es sich bei den meisten Zahlungen nur um ein schlecht verbrämtes Wegegeld zum Erta Ale. Müll verunreinigte die Camps, den Weg und die umgebende Landschaft. Die Hütten am Gipfel waren bar jeglicher Ausstattung, es gab keine sanitären Einrichtungen. Alles, was man brauchte, musste man selbst mitbringen, Ausrüstung, Wasser, Essen.

Wenn man hochrechnet, was die Afar wohl von den vielen Touristengruppen kassiert hatten, müssten sie eigentlich gut leben können. Wir sahen allerdings keinerlei offensichtliche Zeichen des Wohlstandes. Hütten, Kleidung und Eigentum der Menschen wirkten so, als hätte sich seit Hunderten von Jahren wenig geändert. Da stellt sich natürlich die Frage, was aus dem Geld geworden ist. Womöglich liegt der Schlüssel zu diesem Rätsel im Kath-Konsum der Männer, der viel finanzielle Ressourcen verschlingt. Es wirkte es auf uns nicht so, als ob der Tourismus für die Menschen vor Ort zu besseren Lebensumständen, einer Ausbildung der Kinder oder einer medizinischen Versorgung geführt hätte.

Ein durstiges Vögelchen auf dem Parkplatz am Fuße des Erta Ale
Ein durstiges Vögelchen auf dem Parkplatz am Fuße des Erta Ale

Wenn man es verklären möchte, dann gehörte dieses gesamte unprofessionelle, korrupte und unverschämte Drumherum vielleicht zum Abenteuer dazu, aber man sollte sich dessen bewusst sein, wenn man eine Tour zum Erta Ale unternehmen möchte. Am besten versucht man jedoch, diese unerfreulichen Aspekte in den Erinnerungen auszublenden, damit einem schließlich trotzdem zwei aufregende Tage im Gedächtnis bleiben.

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