Eigentlich hätten wir direkt von Toamasina weiter nach Maroansetra fliegen wollen, um in den Masoala Regenwald zu gelangen. Air Madagaskar („Mad Air“) hatte uns allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht und unseren Flug um einen Tag verschoben. Am so entstandenen Überbrückungstag erkundeten wir den Pangalanes-Kanal.
Der Pangalanes-Kanal
Der Pangalanes-Kanal (Canal des Pangalanes) ist über 600km lang und verläuft parallel zur madegassischen Ostküste zwischen den Städten Farafangana in Süden und eben Toamasina weiter nördlich. Schon die Merina begannen mit dem Bau und die Franzosen (bzw. „deren“ madegassische Arbeitskräfte) komplettierten den heutigen Verlauf. Der Kanal verbindet natürliche und künstlich geschaffene Binnengewässer und ist somit eine einfach schiffbare Alternative zur gefährlichen Route entlang der madegassischen Ostküste.
Damit ist der Kanal auch heute noch eine Lebensader der ganzen Region und komfortabler zu befahren als jede Route Nationale. Aufgrund der Beschaffenheit des Kanals verkehren zwar keine großen Schiffe, dafür aber die verschiedensten kleinen Wasserfahrzeuge. Neben den Kanus der Anwohner und Fischer gibt es natürlich auch Wassertaxi-Brousses und Boote für den Warenverkehr. Diese sind oft nur Einwegflöße: Die Menschen verbinden lange Bambusstangen miteinander, beladen sie und staken ihre Waren den Kanal entlang. Am Ende der Reise werden die schwimmenden Untersätze demontiert und auch die Bestandteile verkauft.
Entlang des Kanals sahen wir zahlreiche Menschen, die in harter Arbeit Material mit Eimern vom Grund holten und in Kanus schütteten. Dieser Sand ist natürlich ein Rohstoff, aber dahinter verbirgt sich wohl auch die Notwendigkeit, die Fahrrinne des Kanals freizuhalten.
Nicht alles ändert sich zum Besseren
Auf unserer ersten Madagaskar-Reise 2011 hatten wir schon ein längeres Stück des Pangalanes-Kanals befahren. Diesmal unternahmen wir nur einen Tagesausflug von Toamasina aus. Sofort erkannten wir den Hafen wieder, wo wir damals ausgestiegen waren. Beinahe war es, als ob noch die gleichen alten Kähne in unterschiedlichen Stadien des Verfalls dort vor sich hin rotteten. (Vielleicht war es auch wirklich so.) Neu war allerdings der unangenehme Geruch nach Altöl. An manchen Stellen lag auch ein im Sonnenlicht bunt schillernder Ölfilm auf dem Wasser. Verursacher war die Ölraffinerie von Toamasina, die anscheinend keine Umweltauflagen befolgte.
Die Tourismusbranche vermarktet zuweilen die exotische und unberührte Fremde, eine vermeintlich heile Welt, in der es zwar materielle Armut gibt, die Einheimischen aber trotzdem glücklich sind. Da wunderte es uns nicht, dass angeblich die meisten Touranbieter ihre Fahrt auf dem Pangalanes-Kanal einige Kilometer vor Toamasina beenden, um den Besuchern die Konfrontation mit der madegassischen Wirklichkeit zu ersparen. Für uns war es ein ernüchternder Einblick, wie erbarmungslos kapitalistisch ein Land wie Madagaskar sein kann, wo das Wohlergehen der Bevölkerung und der Natur dem Profit von Wenigen geopfert wird.
Das Leben am Pangalanes-Kanal
Einige Kilometer weiter südlich war die Welt in der Tat scheinbar noch in Ordnung. Kinder plantschten, Frauen wuschen Wäsche und Zebus grasten am Ufer des Kanals oder tranken sein Wasser. Die Dörfer bestanden aus einfachen Hütten zwischen denen Mais und Wäsche trocknete, gesäumt von kleinen Feldern. Außerdem sahen wir am Ufer die zahlreichen Reusen der Fischer, für die der Pangalanes-Kanal ebenfalls die Lebensgrundlage darstellt. An einer Lagune, die mit dem Meer verbunden war, gaben auch wir der Verlockung nach und sprangen ins erfrischend kühle Nass.
So bescherte uns der Flugausfall einen vergleichsweise entspannten Tag, der uns mal wieder eine weitere Facette des Landes zeigte. Die madegassische Ostküste hat wenig mit dem Hochland oder dem trockenen Westen gemein. Und trotzdem befinden sich all diese Landschaftsformen auf einer einzigen Insel.
Abflug von Toamasina
Der einstündige Flug von Toamasina nach Maroansetra am nächsten Tag ersparte uns eine holperige und abenteuerliche 4- bis 5-tägige(!) Autofahrt (mit Allem was dazugehört: Piste, Staub, Flussdurchquerungen, Fährfahrten) von gerade einmal 400km. Zweifelsohne war dies die bequemere Variante, hatte aber trotzdem wenig damit zu tun, wie sich ein Durchschnittseuropäer einen kommerziellen Flug vorstellt.
Am kleinen Flughafen in Toamasina gelangte man in wenigen Schritten vom Wartebereich über den Check-in zur Abfertigung. Die Bordkarten waren handgeschrieben. Statt das Handgepäck zu durchleuchten, durchsuchten es die Angestellten händisch und durchaus gründlich. Leider hatte sich anscheinend bis hierher herumgesprochen, dass es heutzutage Usus ist, den Fluggästen jegliche Wasserflaschen abzunehmen. Als Verbesserungsvorschlag könnten wir noch einbringen, dass man dann konsequenterweise nach der Sicherheitskontrolle stark überteuertes Wasser verkaufen sollte ;).
Vor der Security hieß es für uns Abschied von unserem Fahrer Christian und (vorläufig) von Tahina zu nehmen. Beide würden uns nicht nach Masoala begleiten, sondern fuhren mit dem Wagen wieder zurück nach Tana. Wir waren erstaunlicherweise die einzigen Vazahas auf dem Flug, was uns ein wenig erstaunte. Schließlich ist Maroansetra das Tor zu Masoala, dem bekanntesten noch verbliebenen tropischen Regenwaldgebiet Madagaskars.
An Bord von Mad Air
In dem kleinen Flugzeug gab es freie Platzwahl, keine Sicherheitsbelehrung und keinen speziellen Platz für unser Handgepäck. Am bequemsten war es, den Tagesrucksack einfach in den Gang zu stellen, was niemanden störte. Fluchtweg? Sicherheit wird bei Air Madagaskar eben groß geschrieben ;). Oder sind wir als westlich geprägte Vazahas da zu penibel? Auf alle Fälle gab es beim Brandschutz nichts zu bemängeln: Ein Feuerlöscher befand sich direkt in unser Reichweite!
Aber wir wollen nicht unken. Der Flug und das Drumherum waren zwar etwas unkonventionell und der Name der Fluggesellschaft ist für so manchen Kalauer gut, aber die Reise gestaltete sich sehr bequem und wir bewunderten die schöne Aussicht. Beim Landeanflug konnten wir die riesige Masoala-Halbinsel aus der Luft ebenso gut erkennen wie die kleine Insel Nosy Mangabe, die unser Ziel für heute sein sollte – wovon wir allerdings während des Anflugs noch nichts wussten.