Von Wüstenschloss zu Wüstenschloss

Nach den Kreuzfahrerburgen besuchten wir die sogenannten Wüstenschlösser in der Wüste östlich von Amman. Diese Bauwerke haben eine ganz andere Geschichte. Die meisten stammen aus dem 7. Jahrhundert, also kurz nachdem der Islam im heutigen Jordanien Fuß gefasst hatte, und dienten den Umayyaden nicht als militärische Stützpunkte, sondern als Jagd- oder Landsitze. Die heute umgebende Wüstenlandschaft war in früheren Zeiten trotz der damals schon herrschenden Trockenheit für etwas Landwirtschaft geeignet gewesen. Die im Folgenden beschriebene Tagestour unternahmen wir von Madaba aus mit einem privaten Taxi.

Das Qasr Kharana erhebt sich abweisend aus der staubigen, eintönigen Wüstenlandschaft.
Das Qasr Kharana erhebt sich abweisend aus der staubigen, eintönigen Wüstenlandschaft.

Qasr Kharana

Das im späten 7. Jahrhundert erbaute Qasr Kharana erhebt sich massiv und trutzig aus der eintönigen Wüstenlandschaft. Gut restauriert mit einer vollständigen Außenmauer und Türmen an jeder Eckte wirkt das Qasr („Festung“) wehrhaft wie ein Fort oder eine Burg. Der Schein trügt allerdings, durch die „Schießscharten“ in den 3 Meter dicken Wänden wäre es kaum möglich, einen Schuss abzugeben. Vielmehr dienten die Schlitze zur Belüftung und Kühlung der Innenbereiche. In seiner Funktion stellte das Qasr Kharana vermutlich das dar, was wir heute ein Konferenzhotel nennen würden, und diente wohl als Versammlungsort für die umayyadischen Kalifen mit lokalen Beduinenstämmen. Allerdings fehlt eine Wasserquelle, so dass die Gäste Trinkwasser für sich und ihre Tiere selbst mitbringen mussten.

Vom offenen Innenhof aus führen viele symmetrisch angeordnete Türen zu den verschiedenen Räumen.
Vom offenen Innenhof aus führen viele symmetrisch angeordnete Türen zu den verschiedenen Räumen.

In der Tat war es im Inneren des Gebäudes deutlich kühler, die schon morgens brütende Hitze blieb ausgesperrt. Von einem zentralen Innenhof aus führten offene Türen in die verschiedenen Zimmer der quadratischen Anlage. Wir nahmen eine Treppe in den ersten Stock. Die Räumlichkeiten waren schlicht, aber elegant mit Bögen, angedeuteten Säulen und Ornamenten ausgestattet. Über die genaue Nutzung der einzelnen Bereiche gehen die Einschätzungen der Archäologen auseinander, aber allein durch den Aufbau mit Einheiten von jeweils einem großen zentralen Raum, von dem einzelne kleinere Kammern abgehen, wirkte für uns die Theorie eines Treffpunkts für die damaligen Bewohner der Region plausibel. Unter etwas anderen Umständen hätten wir gerne ein Zimmer gebucht, auch wenn Einrichtungsgegenstände leider gänzlich fehlten.

Ein elegantes Gästezimmer im Qasr Kharana
Ein elegantes Gästezimmer im Qasr Kharana

Qusair ‚Amra

Beinahe hätte man das vergleichsweise niedrige, sandfarbene Gebäude von Qusair ʿAmra in der Weite der Landschaft verpassen können. Auf der Fahrt von Wüstenschloss zu Wüstenschloss gab es zwischendurch wenig zu sehen, nur Staub und flimmernde Luft. Aber auf einmal kamen wir am Qusair (der „kleinen Burg“) an. In der Tat war der Komplex weit weniger ausgedehnt als Qasr Kharana und verfügte über Wasser aus dem Wadi Butm. Dies ermöglichte den Luxus eines Badehauses im Jagdschlösschen des umayyadischen Prinzen Walid. Die Jagd war wohl eine der Lieblingsbeschäftigungen der Herrscher bei den Ausflügen zu ihren Wüstenresidenzen.

Von außen eher unscheinbar und Ton in Ton mit der umgebenden Wüste: Qusair 'Amra
Von außen eher unscheinbar und Ton in Ton mit der umgebenden Wüste: Qusair ‚Amra

Das schlichte Äußere täuscht, wie so häufig in der islamischen Architektur, über den prächtigen Innenraum hinweg. Statt geometrischer Muster schmücken im Qusair ʿAmra überraschenderweise Fresken mit vielen verschiedenen figürlichen Motiven die Wände: die Jagd, Badeszenen, leicht bekleidete Frauen, Musiker, die Sternzeichen und einiges mehr. Erstaunlicherweise überdauerten diese Kunstwerke die islamische Bilderzerstörung, Vandalismus, Feuer und 1300 Jahre mit ihren Umwelteinflüssen. Ein kleines Wunder!

Innen überraschte eine Vielfalt von Fresken überall an den Wänden.
Innen überraschte eine Vielfalt von Fresken überall an den Wänden.

Das Fort von Azraq

Wenn es einen logischen Platz in der Wüste von Jordanien gibt, um eine Burg zu bauen, dann ist es Azraq. Dort befindet sich die einzige permanente Oase des Landes und die Siedlung liegt am Schnittpunkt der Handelsrouten von Syrien, dem Irak, Saudi-Arabien, nach Amman und zum Roten Meer. Den strategischen Wert dieses Ortes hatten schon die Römer erkannt, die dort im dritten Jahrhundert das erste Fort errichteten. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die aus blauem Basalt erbauten Befestigungsanlagen von den Byzantinern, den Umayyaden, den Ayyubiden, dann den Mameluken und schließlich den Osmanen genutzt (eine Abfolge, die wir so oder so ähnlich bereits einige Male erwähnten).

Der Eingang der Festung von Azraq
Der Eingang der Festung von Azraq

Während der Arabischen Revolte nutzte der berühmte T. E. Lawrence Qasr al-Azraq im Winter 1917 als Hauptquartier. Auf die Spuren dieser schillernden Persönlichkeit sollten wir auch später in Jordanien noch stoßen: Lawrence von Arabien. Er war Verbindungsmann der Briten zu den aufständischen Arabern. Berühmt und zum Mythos wurde Lawrence durch Berichte und Vorträge zur arabischen Revolte, sein Buch „Die sieben Säulen der Weisheit“ und nicht zuletzt durch den Film „Lawrence von Arabien„.

Blick über den Innenhof der Burg von Azraq von dem Raum aus, den T. E. Lawrence bewohnte.
Blick über den Innenhof der Burg von Azraq von dem Raum aus, den T. E. Lawrence bewohnte.

Auch wenn das Fort noch vor etwa 100 Jahren militärisch genutzt wurde, so ist die Anlage insgesamt doch inzwischen eine Ruine. Die Erkundung der Festung fühlte sich ähnlich an wie die der Kreuzfahrerburgen. Der Eingangsbereich war wieder aufgebaut worden und im Zentrum der Burg gab es einen großen Innenhof. Innerhalb der Außenmauern hatte der Zahn der Zeit jedoch stark am Fort genagt: Eingefallene Mauern, freistehende Stützbögen ohne dazugehörige Dächer und Treppen, die ins Nirgendwo führten, waren Zeugnisse des Verfalls. Wir konnten die Anlage frei durchstreifen, es gab vereinzelte Erklärungstafeln und ein kleines Museum, aber die eigene Vorstellungskraft musste viel ergänzen.

Die Glanzzeiten des Forts sind vorüber, aber es ist ein sehr atmosphärischer Ort.
Die Glanzzeiten des Forts sind vorüber, aber es ist ein sehr atmosphärischer Ort.

Mittagessen mit Hindernissen

Nach dem Besuch der Burg war es Zeit fürs Mittagessen. Nachdem wir schon auf anderen Transferfahrten nicht so gute Erfahrungen mit speziell für Touristen gebauten Komplexen aus Restaurant und Souvenirshop gemacht hatten (überteuert, mäßige Küche, kommerziell), war uns klar, dass es genau ein Lokal („Tourist Palace“) in Azraq gab, das wir nicht besuchen wollten. Dummerweise hatte unser Fahrer andere Ansichten. Er hatte wohl auch von seinem Arbeitgeber einen Essensgutschein für dieses Etablissement bekommen, was er uns allerdings nicht mitteilte. Wir wollten aus der Touristenblase raus, wofür er aber kein Verständnis zeigte.

Da er uns nicht verriet, aus welchem Grund er unbedingt in das auserkorene Restaurant wollte, konnten wir auch nicht anbieten, dass wir ihn natürlich gerne in einem anderen Lokal einladen würden. Es offenbarte sich leider, dass er als stolzer Araber nicht auf die Wünsche seiner Gäste eingehen wollte. Und er war tödlich beleidigt, dass wir eigene Vorstellungen von unserer Mittagspause hatten. Nur sehr widerwillig fuhr er uns ins Zentrum der kleinen Stadt, wo wir eine Alternative suchten. Das war allerdings nicht ganz einfach. Dort gab es zwar zahlreiche Restaurants (für die Fahrer der vielen durchfahrenden Lkws), aber die klassische Mittagspause war dort anscheinend keine Prime Time und alle Touristen befanden sich wohl im “Tourist Palace“… Schließlich nahmen wir als einzige Gäste in einem Restaurant an der Hauptstraße auf Plastikstühlen Platz, nachdem wir das geschlachtete Lamm, das ungekühlt neben dem Grill hing, etwas skeptisch beäugt hatten.

Saftiges Lammkebab mit Fladenbrot
Saftiges Lammkebab mit Fladenbrot

Eine kleine Mannschaft junger Männer richtete im Handumdrehen einen Tisch für uns her. Die Tischdecke, eine dünne, transparente Plastikfolie, fixierten sie mit etwas Wasser und dessen Oberflächenspannung auf dem Tisch. Wir kommunizierten und bestellten mit Händen, Füßen und ein bisschen Google Translate. Als wir anschließend auf das Essen warteten, nicht genau wissend, was wir bestellt hatten bzw. ob die gesamte Information bei unseren Gastgebern angekommen war, überlegten wir kurz, ob der “Touristen Palast“ (Qasr Tourist 😉 ) vielleicht doch die bessere Wahl gewesen wäre. Aber wir wurden nicht enttäuscht. Wir ließen uns saftiges, würziges Lammkebab mit Salat, frischen Kräutern und Fladenbrot schmecken. Für die jungen Männer, die uns bedienten, waren wir offensichtlich die Attraktion des Tages. Bevor wir gingen, mussten wir unbedingt ein Selfie zusammen machen.

Selfie mit unseren Gastgebern
Selfie mit unseren Gastgebern

Azraq Wetlands

Bevor wir weiterfuhren, besuchten wir den Ort, dem die Kleinstadt Azraq seine Existenz verdankt, das Quellgebiet der Oase im Azraq Wetland Reserve. Das natürliche Feuchtgebiet ist allerdings schon länger Geschichte. Seit den 1960ern pumpt Jordanien sehr viel Wasser von Azraq in das über 100 Kilometer entfernte Amman, um die Hauptstadt mit dem wertvollen Nass zu versorgen. Auch wenn sich Jordanien im Nationalmuseum damit brüstete, im internationalen Vergleich sehr wenig Wasser zu verbrauchen, war der Entzug der lebensspendenden Flüssigkeit für das fragile Ökosystem in Azraq der Todesstoß.

Amman bezieht ein Viertel seines Wassers aus Azraq.
Amman bezieht ein Viertel seines Wassers aus Azraq.

Seit 1992 sind die natürlichen Quellen versiegt, das Wasser wird jetzt aus der Tiefe gepumpt und der Grundwasserspiegel ist stark gesunken. Damit ist fast das gesamte Feuchtgebiet ausgetrocknet, nur (paradoxerweise) künstliche Bewässerung hält einen kläglichen Rest mehr oder weniger am Leben. Die Tiere und Pflanzen, die dort früher in großer Vielfalt existierten, haben ihre Lebensgrundlage verloren. In der Vergangenheit hatten hunderttausende Zugvögel Azraq für einen Zwischenstopp genutzt. Bei dem Feuchtgebiet, das in guten Jahren bis zu 50 km² Fläche umfasst haben soll, muss es sich um ein unglaubliches Paradies des Lebens mitten in der sonnenverbrannten Weite der Wüste gehandelt haben. Die Fakten sind eindeutig und werden auch im Besucherzentrum präsentiert. Damit enden aber anscheinend die Bemühungen. Der Bedarf an Wasser hat wohl Vorrang. Die Oase ist erfolgreich trockengelegt und es ist offen, wie lange Azraq noch weiter ausgequetscht werden kann.

Das letzte Wasserbecken in den Azraq Wetlands
Das letzte Wasserbecken in den Azraq Wetlands

Qasr Al-Hallabat

Auf der Rückfahrt nach Madaba nahmen wir die nördlichere Straße Richtung Zarqa, die uns zum Qasr al-Hallabat führte. Auch wenn die Anzahl der Besucher in allen Wüstenschlössern überschaubar war, so verirrten sich noch wenigster Menschen zum Qasr al-Hallabat. Auch an diesem Ort befand sich ursprünglich eine Römische Festung, dann errichteten Ghassaniden, eine Gruppe einflussreicher christlicher Stämme, dort einen Landsitz mit Kapelle und Kloster, schließlich übernahmen im 8. Jahrhundert die Umayyaden den Komplex und bauten ihn prächtig aus. Anders als bei den anderen Qusur war die angegliederte Moschee neben dem Palast schön rekonstruiert.

Die Moschee ist ein stattliches Gebäude neben dem Qasr.
Die Moschee ist ein stattliches Gebäude neben dem Qasr.

Abgesehen von der ruhigen Atmosphäre – wir waren fast allein im Qasr al-Hallabat – überraschte uns ein Raum mit einem riesigen Mosaik auf dem Boden. Das ursprünglich bildliche Mosaik war umgestaltet worden und zeigte ein erstaunlich gut erhaltenes geometrisches Muster.

Mosaik im Qasr al-Hallabat
Mosaik im Qasr al-Hallabat

Hammam Al-Sarah

Der letzte Halt auf unserer Route war das Hammam al-Sarah nur wenige Kilometer vom Qasr al-Hallabat entfernt. Wieder einmal war dieses umayyadische Badehaus von außen sehr schlicht. Im Inneren bewunderten wir eine wohl erst kürzlich mit Holz in geometrischen Mustern ausgekleidete elegante Kuppel.

Die aufwändig rekonstruierte Kuppel im Hammam al-Sarah
Die aufwändig rekonstruierte Kuppel im Hammam al-Sarah

So hielt jedes einzelne Wüstenschloss seine eigene Geschichte, seine Besonderheiten und auch Überraschungen für uns bereit. Erstaunlich war außerdem, dass wir immer wieder auf gut erhaltene römische Funde stießen. Abgesehen vom Zwischenfall zum Mittagessen haben wir den Tag sehr genossen und einige Geheimnisse der Wüste kennengelernt.

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