Das südliche Altiplano zwischen Uyuni und Tupiza

Nach zwei Tagen auf dem Salar de Uyuni verbrachten wir weitere drei Tage im Altiplano. Wir fuhren immer weiter in Richtung Süden. Die Landschaft wurde zwar weniger salzig, dafür aber nicht minder spektakulär. Der Weg führte auf teilweise recht aufregenden Pisten allmählich immer weiter in die Höhe, bis auf fast 5000 Meter über dem Meeresspiegel und bis in die Nähe der chilenischen Grenze. Der Endpunkt war Tupiza, von wo aus wir Abschied vom Altiplano nahmen.

Vorsicht freilaufende Lamas!
Vorsicht freilaufende Lamas!

Unterwegs im Altiplano zwischen Salar de Uyuni und Tupiza

Die ersten Kilometer der Straße waren asphaltiert, aber je weiter wir nach Süden kamen, desto lückenhafter wurde der Fahrbahnbelag. Auf guten Streckenabschnitten gab es Tempolimits von 40 oder 60km/h, die Schilder standen aber anscheinend eher zur Dekoration dort. Tatsächlich fuhren wir eher 80 bis 100km/h, ohne dass es sich unsicher anfühlte. Im Laufe der Fahrt regelte allerdings der Straßenzustand die Geschwindigkeit automatisch herunter. Immer wenn Rubén doch ein großes Schlagloch oder einen dicken Stein erwischte, litt er sichtlich, zusammen mit dem Auto.

Lama-Crossing. Die Schilder standen zu Recht am Straßenrand ;)
Lama-Crossing. Die Schilder standen zu Recht am Straßenrand 😉

Neben der kargen, aber sehenswerten Landschaft erfreuten uns auch die Tiere am Wegesrand. Immer wieder sahen wir Lamas und Alpakas, die am Straßenrand grasten, fast wie Kühe auf der Weide, nur dass die Landschaft dort eine trockene, karge Wüste war. Die vertrockneten kleinwüchsigen Büsche sahen für uns alles andere als saftig aus. Kurz bevor wir das erste offizielle Zwischenziel erreichten, das Valle de las Rocas (das Tal der Steine), sahen wir sogar ein paar Andean Flamingos vergnügt in einem Fluss auf der Suche nach Nahrung herumstaksen.

Ein Andean Flamingo sucht südlich von Alota vergnügt nach Nahrung.
Ein Andean Flamingo sucht südlich von Alota vergnügt nach Nahrung.

Valle de las Rocas

Im Valle des las Rocas gab es – welche Überraschung – Steine zu bestaunen: bizarre Felsformationen und freistehende, zerbröselnde Wände, sowie Viscachas :). Diesen Nagetieren, die wie eine Kreuzung aus Kaninchen, Pokemon und Känguru aussehen, waren wir schon in Peru begegnet. Hier dösten sie auf einem Felsen direkt am Parkplatz. In anderen Ländern hätte man schon lange einen Nationalpark aus dem Valle de las Rocas gemacht. In Bolivien hingegen gab es nur einen Parkplatz – genauer gesagt endete die Piste einfach dort, wo die Viscachas leben, und bildete eine Art Wendehammer. Weder auf Google Maps noch auf OpenStreetmaps ist der Ort eingezeichnet, ein Naturerlebnis mitten im Nirgendwo ;).

Schläfriges Empfangskomitee: eines der dösenden Viscachas
Schläfriges Empfangskomitee: eines der dösenden Viscachas

Im Valle unternahmen wir einen kleinen Spaziergang. Natürlich gab es keine Wege oder Hinweisschilder, aber Diter zeigte uns die grobe Richtung. Unterwegs fanden wir ein Prachtexemplar einer Yareta, einer kuriosen, polsterartigen Pflanze, die ein wenig wie wucherndes Moos aussieht, sich aber beim Anfassen wie ein rauer Stein anfühlt. Sie wächst extrem langsam, nur 1-3 Quadrat-Millimeter pro Jahr. Große Exemplare können bis zu 3000 Jahre alt werden – wenn sie nicht vorher „geerntet“ werden. Angeblich geben sie ein ausgezeichnetes Brennmaterial ab.

Grüner Anden-Blumenkohl: Yareta. Dieses Exemplar muss sehr alt gewesen sein.
Grüner Anden-Blumenkohl: Yareta. Dieses Exemplar muss sehr alt gewesen sein.

Laguna Negra

Unser nächster Halt, gut eine halbe Stunde entfernt, war die Laguna Negra, zu der wir ebenfalls querfeldein wanderten. Der Weg führte durch ein Tal, welches von zahlreichen kleinen Bächen durchzogen war, so dass wir immer wieder von der einen auf die andere Seite hüpfen mussten. Wie eigentlich immer im Hochland war es trotz strahlendem Sonnenschein kalt (wir wiederholen uns). Dort war es sogar so kalt, dass im Dauerschatten Bäche und Pfützen eine Eiskruste hatten.

Eiskruste in der Nähe der Laguna Negra. Im Dauerschatten war das Wasser gefroren.
Eiskruste in der Nähe der Laguna Negra. Im Dauerschatten war das Wasser gefroren.

Sogar am Rande der Laguna Negra selbst gab es ein wenig Eis, ein Zeichen dafür, dass es hier im Altiplano nachts bitterkalt wird.

Selbst am Rande der Laguna Negra gab es eine dünne Eisschicht.
Selbst am Rande der Laguna Negra gab es eine dünne Eisschicht.

Auf der Weiterfahrt sahen wir neben den Lamas auch Guanakos und Rheas (auch Nandu bzw. ñandú oder in Bolivien Suri genannt). Es sind straußenähnliche Laufvögel, die allerdings meistens schnell die Flucht ergriffen, wenn wir auf der Piste angeholpert kamen.

Ein Rhea wandelt durch das Altiplano.
Ein Rhea wandelt durch das Altiplano.

Fuerte Necrópolis de Tomás Lakjas

Am nächsten Morgen fuhren wir bei -5 Grad Celsius auf 4000m Höhe los. Ein kleines Bächlein am Straßenrand war zugefroren und wir merkten sofort den Unterscheid zwischen Morgensonne (andenfrisch) und Schatten (klirrend kalt). Unser erstes Ziel war die Fuerte Necrópolis de Tomás Lakjas, eine Festung und ein präkolumbianischer Friedhof.

Ein präkolumbianisches Grab (Chullpa) beim Fuerte Necrópolis de Tomás Lakjas
Ein präkolumbianisches Grab (Chullpa) beim Fuerte Necrópolis de Tomás Lakjas

Hier bestatteten die damaligen Bewohner ihre Toten in runden Steinbauten, sogenannten Chullpas. Wir wanderten durch eine Art Canyon, der uns etwas an den mittleren Westen der USA erinnerte. Dort befanden sich unzählige dieser Gräber und mehrere Viscachas „wärmten“ sich in der andenfrischen Morgensonne auf. Es ist nicht viel über die Hintergründe dieser Stätte bekannt, aber der Ort, den sich dieses Volk ausgesucht hatte, bildete zweifelsohne einen der landschaftlich schönsten Friedhöfe der Welt. Allerdings waren alle Chullpas leer, vermutlich waren sie geplündert worden. Auf der anderen Seite des Canyons sahen wir außerdem die Reste einiger Befestigungsmauern.

Erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Festungsmauern im Vordergrund
Erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Festungsmauern im Vordergrund

Nach einem kleinen Abstieg erreichten wir einige Felsmalereien (Pinturas Rupestres). Abgebildet waren Menschen, eine Schlange und ein Schamane. Darstellungen von Figuren mit langen Fortsätzen auf dem Kopf sind auch schon als Bildnisse von Außerirdischen gedeutet worden.

Felszeichnungen von Außerirdischen?
Felszeichnungen von Außerirdischen?

Noch höher hinauf ins Altiplano: Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa

Und immer weiter ging es hinauf, in den Nationalpark Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa. Im Süden Boliviens ist das Altiplano („die hohe Ebene“) nochmal deutlich höher. Je höher wir kamen, desto spärlicher wurde die ohnehin schon karge Vegetation. Auf 4600 Metern Höhe gab es immerhin noch ein paar 10 bis 20 Zentimeter große Büsche, auf 4900 Metern sahen wir zwar noch Guanakos, aber die Vegetation beschränkte sich auf wenige Zentimeter messende ausgetrocknete Grasbüschel.

Auf der Fahrt zum Nationalpark Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa
Auf der Fahrt zum Nationalpark Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa

Die Piste war inzwischen auf einem abenteuerlichen Niveau angekommen. Mal war sie sandig, mal steinig, zuweilen nur ein einspuriges ausgefahrenes Band in der andinen Hochebene. Streckenweise hatte sich auch heftiges Wellblech gebildet, eine echte Tortur für die Reifen. Das Unvermeidliche geschah am vierten Tag. Einen Pneu hatte es erwischt, in der Mittagspause musste er ausgetauscht werden.

Am vierten Tag war ein Reifen hinüber, zum Glück war Reserve vorhanden.
Am vierten Tag war ein Reifen hinüber, zum Glück war Reserve vorhanden.

Die bunte Wüste im Altiplano

Beim Fahren ließen wir die faszinierende Natur des Altiplano auf uns wirken. Auf dem Weg zu den bunten Lagunen passierten wir das Valle de Dalí, wo bizarr geformte Felsen aus dem bunten Sand ragten. In dieser Gegend präsentierte sich die Landschaft in fast allen Farben des Regenbogens. Kleinste Pflänzchen gaben einigen Hängen einen kräftigen Gelb- oder Grünton. Andere Gelbtöne waren schwefeligen Ursprungs. Manche Hügel und Sandflächen leuchteten rot und orangefarben. Zusätzlich gab es aber auch grau, schwarz, weiß und braun.

Die bunte Wüste im südlichen Altiplano nahe der chilenischen Grenze
Die bunte Wüste im südlichen Altiplano nahe der chilenischen Grenze

Nur wenige Kilometer von der chilenischen Grenze entfernt, am Südpunkt unserer Tour, lag die Laguna Verde (der grüne See), die in der Tat in einem unnatürlichen bläulichen Grün leuchtete. Ursache hierfür ist ein Cocktail von Mineralien. Beim Aussteigen aus dem Auto pfiff uns ein kräftiger kalter Wind um die Ohren, offiziell 3 Grad, gefühlt jedoch wesentlich kälter. Es war so unangenehm, dass wir nur kurz ausstiegen, um ein paar Fotos zu machen, und dann weiterfuhren.

Das Idyll trügt. Am Aussichtspunkt an der Laguna Verde pfiff eine eiskalte Brise.
Das Idyll trügt. Am Aussichtspunkt an der Laguna Verde pfiff eine eiskalte Brise.

Am nächsten Halt war es deutlich wärmer und windgeschützter, es gab sogar eine natürliche Fußbodenheizung. Im Geothermalgebiet Sol de Mañana bestaunten wir auf 4850 Metern Höhe kochende Schlammtümpel und fauchende Fumarolen. Ein kräftiger schwefeliger Geruch lag in der Luft. Es gab auch viele verschiedenfarbige Becken mit bunten Ablagerungen an deren Rändern.

Eine abwechslungsreiche Farbpalette im Geothermalgebiet Sol de Mañana
Eine abwechslungsreiche Farbpalette im Geothermalgebiet Sol de Mañana

Bunt, bunter, Laguna Colorada

Kaum hielten wir eine Steigerung noch für möglich, doch es wurde noch seltsamer, noch bunter. Die Farbe der Laguna Colorada war unwirklich tiefrot, wie ein eigenartiger See auf einem fremden Planeten. Um es noch skurriler zu machen, leben dort James Flamingos. Die Farbe der Lagune erklärt sich durch spezielle Arten von Algen und Plankton. Die Flamingos hingegen werden grau geboren und entwickeln die rosa Farbe ihres Gefieders erst im Laufe des Lebens, da sie Kieselalgen und Krebse verspeisen und der Farbstoff sich im Körper anreichert.

Blick auf die Laguna Colorada mit James Flamingos
Blick auf die Laguna Colorada mit James Flamingos

Wir hatten zwar schon ein paar hundert Höhenmeter abgebaut, die Laguna Colorada liegt auf ca. 4300 Metern, aber wärmer war es deshalb trotzdem nicht geworden ;). Wieder pfiff uns der eiskalte Hochland-Wind scharf in und um die Ohren. Zunächst wanderten wir über einen Hügel, von dem aus wir den ganzen See im Panorama überblicken konnten und wo es sogar ein Betonhäuschen als Windschutz gab :).

James Flamingos im Landeanflug
James Flamingos im Landeanflug

Anschließend gingen wir hinunter zum Rand der Lagune, um die Flamingos aus nächster Nähe zu sehen. Sie schienen die Besucher gewöhnt zu sein. Gut 50 Touristen spazierten dort entlang, ohne dass es die Vögel im Geringsten zu stören schien. Sie durchkämmten ungerührt in direkter Ufernähe das Wasser und den Schlick auf der Suche nach Nahrung.

Das Gefieder der jungen Flamingos ist noch grau.
Das Gefieder der jungen Flamingos ist noch grau.

Zurück hinab ins Leben

Am fünften und letzten Tag unserer Tour fand der Transfer nach Tupiza statt. Morgens stellte das Altiplano für uns einen weiteren Weltreise-Rekord auf: Nicht nur hatten wir am Tag zuvor mit 4927 Metern über dem Meeresspiegel den höchsten Punkt unserer Reise erreicht, in der Früh zeigte das Thermometer -17 Grad Celsius an. Nirgendwo sonst war es annähernd so kalt gewesen. Leider war etwas mit der Heizung im Geländewagen nicht in Ordnung, so dass hinten die Seitenscheiben durch die Feuchtigkeit unseres Atems eine dünne Eisschicht ansetzten. Erst 2 Stunden später, als die Sonne genug Kraft entwickelt hatte, wurde hinten die Sicht wieder frei…

Minus 17 Grad und eine überforderte Heizung führten zu eingefrorenen Seitenscheiben.
Minus 17 Grad und eine überforderte Heizung führten zu eingefrorenen Seitenscheiben.

Wir verloren langsam an Höhe. Allmählich wurde auch die Vegetation üppiger. Die Büsche waren wieder 30 bis 40 Zentimeter groß und ein gelber Schleier aus trockenem Miniaturgras bedeckte den Boden. Hier sahen wir neben den Rheas und Guanacos auch wieder Lamas umherstreifen. Es tat gut, wieder etwas Flora und Fauna zu Gesicht zu bekommen nach unserem Aufenthalt in der lebensfeindlichen Umgebung. Ein wenig fühlten wir uns, als seien wir auf Safari ;).

Lamas am Wegesrand
Lamas am Wegesrand

In diesen 5 Tagen sind wir sehr viel gefahren, nicht unbedingt lange Distanzen, aber jeden Tag saßen wir mindestens 8 Stunden im Auto. Die Landschaft im südlichen Altiplano war eine der abweisendsten und kärgsten Regionen, die wir auf unserer Reise besucht hatten. Trotzdem fanden wir die Gegend wild und unwirklich und auf eine herbe Art schön. Als wir Tupiza, auf ca. 3000 Metern gelegen, am Nachmittag erreichten, kam uns die Vegetation dort mit großen Kakteen und ausgewachsenen Bäumen regelrecht üppig vor.

Kurz vor Tupiza: Quebrada Palala
Kurz vor Tupiza: Quebrada Palala
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Jutta Reichhardt
Jutta Reichhardt
4 Jahre her

Wieder einmal mehr ein brillianter Bericht und grandiose Natur-und Tieraufnahmen kurz vor den Feiertagen.Welche Strapazen der Mensch durch die Höhenmeter und durch die Kälte aushält (ich meine nicht nur die Touristen,sondern die seit Jahrhunderten ihr Überleben sichern) ist bewundernswert. Bedauerlich,daß im letzten Jahrhundert die Vermehrung und Besiedlung sogar der menschenfeindlichen Orte so stark zugenommen hat,und daß dadurch die ebenfalls einheimischen Mitgeschöpfe zurückweichen müssen. In einer Woche geht das Jahr in ein neues Jahr über und hiermit möchte ich noch ein paar Gedanken dazu schreiben: MENSCH,setze dem Überfluß Grenzen, und lasse die Grenzen nicht überflüssig werden. Lasse die Leute kein falsches… weiterlesen »

Mona Wittmann
Editor
Mona Wittmann
4 Jahre her

Guten Morgen liebe Jutta und fröhliche Weihnachten,
Es freut uns sehr, daß der Blog über das südliche Altiplano interessant für Sie war! In diesem Falle hat auch das gemütliche Lesen des Berichts zu Hause den großen Vorteil, daß man sich nicht selbst dem lebensfeindlichen Klima dort aussetzen muß….. Wenn diese außergewöhnliche Landschaft nicht solche einzigartigen Sehenswürdigkeiten zu bieten hätte, würde sich dort vermutlich freiwillig niemand aufhalten. Umso sensibler ist dieses windgepeitschte Gebiet gegenüber Eingriffen durch den Menschen.
Vielen Dank auch für den weisen Sinnspruch!
Angenehme Feiertage und ruhige Dienste wünsche ich Ihnen!
Mona Wittmann

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